Geldanlage / Private Finanzen

Lohnen sich Frontier Markets zur Diversifikation?

Gedanken über den Aufbau eines möglichst guten Portfolios für Kleinanleger.


Unter dem Begriff "Frontier Markets" (Grenzmärkte) werden die Aktienmärkte von Ländern zusammengefasst, die wirtschaftlich oder politisch zu unterentwickelt sind, um in einen Schwellenländerindex aufgenommen zu werden. Ein Investment in Frontier Markets bringt also besondere Chancen und Risiken. Die Frage für den Kleinanleger lautet: lohnen sie sich zur Diversifikation des eigenen Wertpapierportfolios?


Eine recht allgemein formulierte Grundregel bei der Konstruktion des persönlichen Depots könnte lauten, daß man grundsätzlich alle investierbaren Asset-Klassen berücksichtigen sollte und sich dere Gewichtung invers zu deren Risiko verhalten sollte. Diesem Gedanken folgend ist es zum Beispiel sinnvoll (und darüber herrscht glaube ich weitgehend Konsens), einen bestimmten Anteil an Schwellenländeraktien(-fonds) ins Depot zu mischen, zum Beispiel 20 Prozent.

Denkt man diesen Ansatz weiter, so stellt sich die Frage, ob auch ein kleiner Anteil an Frontier-Markets Aktien(-fonds) ins Depot genommen werden sollte. Diese Märkte haben einen Anteil von etwa drei bis vier Prozent am Welt-Bruttoinlandsprodukt und weisen meines Erachtens ein sehr eigenes Chance-/Risikoprofil auf. Eine Gewichtung von bis zu fünf Prozent erscheint mir daher auf den ersten Blick vertretbar, wenn nicht gar sinnvoll.

So richtig sicher bin ich mir dabei allerdings nicht. Deswegen möchte ich die wesentlichen Argumente zusammenfassen und hoffe, daß es kompetente Kommentare dazu gibt.

Das spricht dafür:

Das spricht dagegen:

Fazit


Es ist schwierig, die Vor- und Nachteile objektiv zu gewichten. Deswegen bin ich unschlüssig.
Tendenziell überwiegt bei mir der Eindruck, daß eine Beimischung sinnvoll sein müsste, sofern das Depot eine Mindestgröße hat, bei der die dadurch zusätzlich entstehenden Transaktionskosten nur geringfügig ins Gewicht fallen (eine schwammige Formulierung, die jeder für sich noch zu konkretisieren hätte).

Ergänzende Meinungen sind (mehr noch als sonst) herzlich willkommen!



13. Mai 2012, zurück zur Startseite. Admin: Artikel editieren



Kommentare

Von Anonymous am 13.05.2012.
Frontier Markets schwanken extrem. Und je extremer ein Markt schwankt, desto wichtiger wird das Rebalancing. Frontier Markets werden aber an einem Portfolio nur einen sehr kleinen Teil ausmachen, so dass die Rebalancing-Kosten verhältnismäßig hoch werden. Das kommt zu den bereits sehr hohen Verwaltungskosten noch dazu. Es wird oft nicht möglich sein, Rebalancing aus den Einnahmen durchzuführen: Wertverdopplung über ein Jahr sind bei Frontier Markets nichts ungewöhnliches (genausowenig natürlich wie ganz extreme Verluste). Dann werden aus 5% schnell 10% des Portfolios. Verkauf wird dann die einzige Möglichkeit für Rebalancing sein. Dazu kommt natürlich die steuerliche Ineffizienz von Rebalancing durch Verkauf.

Die Sinnfrage stellt sich doch schon sehr deutlich. Zu oft wird immer erst an exotische Sachen als an die naheliegenden gedacht. Nur wenn schon Smallcaps und Emerging Markets abgedeckt sind -- und ein solches Portfolio wäre bereits sehr komplex -- sollte man über Frontier Markets nachdenken. Dazu kommt folgendes: Wo Frontier Markets draufsteht, ist selten wirklich Frontier Markets drin. Sondern Emerging Markets Smallcap zum höheren Kostensatz.

Fazit: Bei Vermögen unter 1 Mio EUR sollte man meines Erachtens über Frontier Markets gar nicht erst nachzudenken, und auch oberhalb dieser Summe sollte man es eher sein lassen.

Eine sehr viel günstigere, nahezu gleichwertige Alternative ist eine Übergewichtung von Emerging Markets Smallcap.

Von Christoph (URL) am 14.05.2012.
Hallo Anonymous,
gerade wegen der hohen Wertschwankungen, die relativ gering mit dem restlichen Aktienmarkt korrelieren könnten, sehe ich eigentlich einen Vorteil, in die Frontier Markets zu investieren. Daß dabei Abgeltungssteuer anfallen dürfte, sehe ich auch. Das sollte doch aber naturgemäß immer ein Nachteil sein, der kleiner als der Vorteil ist, welcher einen abgeltungssteuerpflichtigen Verkauf verursacht hat (nämlich hohe Kursgewinne), oder?

Wo ich Dir völlig zustimme, ist Deine Aussage, daß Frontier Markets, wenn überhaupt, dann nur nach sehr vielen weiteren Diversifikationsmöglichkeiten folgen sollten. Neben den von Dir erwähnten Small Caps, insbesondere auch Emerging Small Caps, sehe ich da auf jeden Fall aber auch Rohstoffe und auch Immobilien (wie auch immer, z. B. REIT-ETFs).

Nur wenn all dies vorhanden ist, sollte man überhaupt anfangen, über Frontier Markets nachzudenken.

Was ich gar nicht verstehe: warum Du Emerging Small Caps mit Frontier Markets "nahezu gleichwertig" siehst. Bezüglich des Einzelrisikos sehe ich das eventuell ein. Bezüglich der Diversifikation des gesamten Depots verstehe ich es nicht.

Viele Grüße & abermals vielen Dank für Deine Meinung!

Von Anonymous am 14.05.2012.
"gerade wegen der hohen Wertschwankungen, die relativ gering mit dem restlichen Aktienmarkt korrelieren" Die Frontier Markets setzen die Gesetze des Marktes nicht außer Kraft. Sicher gibt es einen fairen Diversifikationsvorteil -- so wie für die anderen erwähnten Diversifikationsmöglichkeiten auch (Smallcap, Emerging Markets). Ich sehe aber nicht, dass, dass die Frontier Markets einen ungewöhnlich großen Diversifikationsvorteil bieten würden. Ich weiß nicht, wie Du genau zu der Korrelationannahme gekommen bist, aber: Vorsicht beim Betrachten von Charts, die können schnell in die Irre führen. Man interpretiert Abweichungen von Industrieländer-Indizes gerne als Diversifikationsmöglichkeit, während es in Wirklichkeit unsystematische Risiken sind, die in den Einzelkomponenten des Industrieländer-Index auch enthalten sind und dort schon "wegdiversifiziert" wurden. Man sieht diese Korrelation natürlich dem Industrieländerindex selbst nicht an...

"Das sollte doch aber naturgemäß immer ein Nachteil sein, der kleiner als der Vorteil ist, welcher einen abgeltungssteuerpflichtigen Verkauf verursacht hat (nämlich hohe Kursgewinne), oder?" Das ist Framing. Du beziehst an dieser Stelle die wirtschaftlich irrelevante Information ein, wo der Kurs einmal stand. Steuern mindern das Gesamtvermögen -- natürlich sind sie daher immer schlecht. Um so größer die Kursgewinne sind, um so höher die Bemessungsgrundlage und damit die Steuern -- noch schlechter.

Rohstoffinvestitionen halte ich für eine fragwürdige Sache. Aktienunternehmen haben genügend Rohstoffe im Portfolio. Man hat also indirekt bereits Rohstoffe, wenn man breit diversifiziert ist. Für Immobilien gilt im Prinzip das gleiche, allerdings kann man es vielleicht noch damit rechtfertigen, dass wegen ihrer verhältnismäßig geringen Größe nur wenige REITs in den üblichen Indizes vorhanden sind.

"Was ich gar nicht verstehe: warum Du Emerging Small Caps mit Frontier Markets "nahezu gleichwertig" siehst. Bezüglich des Einzelrisikos sehe ich das eventuell ein. Bezüglich der Diversifikation des gesamten Depots verstehe ich es nicht." Wie gesagt, ich bezweifle bereits, dass die Frontier Markets überhaupt einen solch übermäßigen Diversifikationsvorteil haben... Letztendlich erhöhst Du durch eine solche Beimischung mehr das Gesamtrisiko (und damit die Gesamtrendite) als dass Du das Portfolio viel effizienter machst. Dann sollt sich die Frage, warum nicht einfach Emerging Markets Smallcap erhöhen, oder, noch einfacher, Aktienanteil insgesamt erhöhen.

Von Holger (URL) am 17.05.2012.
Hallo sparFuxx,

"Eine recht allgemein formulierte Grundregel bei der Konstruktion des persönlichen Depots könnte lauten, daß man grundsätzlich alle investierbaren Asset-Klassen berücksichtigen sollte und sich dere Gewichtung invers zu deren Risiko verhalten sollte."

Diese Grundregel verstehe ich nicht. Beziehungsweise: Ich verstehe sie so, dass das Gewicht einer Assetklasse im Depot umso niedriger sein sollte, je riskanter sie ist. Aber warum sollte das so sein?

Dass Frontier Markets eher verzichtbar sind, vermute ich auch. Aber für den Fall, das sie tatsächlich tolle Diversifikationseigenschaften und eine attraktive Renditeerwartung bieten sollten, müsste sich ihr Gewicht ja nicht auf 5 Prozent beschränken.

Anonymous, wieso meinst Du in Frontier-Markets-Produkten seien selten wirklich Frontier Markets drin? Bei einem ETF habe ich da eigentlich keine Bedenken. Allenfalls könnte man befürchten, dass Frontier Markets und Emerging Markets Small Caps ziemlich ähnliche Eigenschaften haben.

Viele Grüße

Von Anonymous am 17.05.2012.
"Anonymous, wieso meinst Du in Frontier-Markets-Produkten seien selten wirklich Frontier Markets drin?" Ich kann es Dir konkret leider nicht sagen, aber ich hatte mir mal von diversen Fonds mit Frontier Markets im Namen die Zusammensetzung angeschaut und es schienen im Wesentlichen Aktien aus dem MSCI-Emerging-Markets-Index zu sein, typischerweise kleinere ... Dafür gäbe es auch eine einfache Erklärung: Einen Indexfonds auf MSCI Frontier Markets gibt es nicht. Und was aktive Fonds oder sonstige Indizes als Frontier Markets ansehen, das muss nicht mit den MSCI-Frontier-Markets übereinstimmen, sondern kann natürlich für MSCI als Emerging Markets gelten. Der Frontier-Markets-Begriff ist keine Schutzmarke. Wie die Situation heute aussieht kann ich Dir allerdings nicht sagen. Vielleicht hat sie sich geändert.

"Diese Grundregel verstehe ich nicht" Ich halte die Regel eigentlich für relativ einleuchtend. Denn je riskanter eine Anlage ist, desto stärker weicht die Wachstumsrate von der erwarteten Rendite ab. Und je geringer man sie insgesamt im Verhältnis zu weniger riskanten Anlagen gewichtet, desto weiter wird sich bei der Reblancing-Strategie die Wachstumsrate der Position ihrer erwarteten Rendite annähern. Im Grenzwert entspricht die Wachstumsrate der erwarteten Rendite. Ich hab das übrigens zufällig gestern anhand des NEMAX nachvollzogen. Bildet man ein Portfolio aus 80% NEMAX und 20% festverzinslichem, ergibt sich (bei jährlichem Rebalancing) am Ende ein Wertverlust. Reduziert man den NEMAX hingegen auf 1% oder weniger, kommt man schnell in die Nähe von einem Wertzuwachsplus von einen Prozentpunkt gegenüber einer reinen festverzinslichen Anlage. Denn die erwartete Rendite des NEMAX war deutlich zweistellig -- natürlich bei ganz erheblichem Risiko.

Von Christoph (URL) am 18.05.2012.
Hallo Holger,
zu "Diese Grundregel verstehe ich nicht":
Um genau zu erklären, was ich damit gemeint habe, muss ich etwas ausholen (dabei nehme ich teilweise vorweg, was mal ein eigener Artikel werden soll): Ich betrachte ein Depot immer Top-Down und sehe als erstes eine Unterscheidung in "riskante Assets" und "(möglichst) risikolose Assets".
Dieser Artikel handelt von vorne herein nur von dem ersten, riskanten Teil. Und dort denke ich in der Tat, daß es sehr sinnvoll ist, die besondes risikoreichen Assets wie zum Beispiel Emerging Markets, Rohstoffe oder gar Frontier Markets geringer zu gewichten als beispielsweise den MSCI World.
Um es umgekehrt, verneinend auszudrücken: damit wollte ich absolut nichts darüber aussagen, wieviel Risikoanteil ein Depot insgesamt haben sollte.
Ich glaube, das war missverständlich, weil ich implizit etwas angenommen habe, was ich explizit noch nirgendwo geschrieben habe.
Ich hoffe, das beantwortet die Frage irgendwie plausibel?
Viele Grüße, Christoph

Von Christoph (URL) am 18.05.2012.
Hallo Anonymous,
danke noch für das Zahlenbeispiel mit dem Nemax!
Viele Grüße, Christoph

Von Holger (URL) am 21.05.2012.
Es ist lange her, aber ich antworte dann trotzdem mal noch.

Anonymous,

als ich das letzte Mal geschaut habe, waren sich dieser S&P-Frontier-Markets-Index und der entsprechende MSCI-Index ziemlich ähnlich. Aber ich weiß nicht, wie das heute aussieht, und ich fand den ETF damals schon zu teuer.

Und ich verstehe das mit der Wachstumrate nicht. Warum ist das wichtig? Woher kennst Du die erwartete Rendite des NEMAX? Was wir kennen, ist doch nur die historische Rendite in einem ziemlich kurzen Zeitraum, der endete, als der Neue Markt abgeschafft wurde. Ist das dann wirklich auch ein Erwartungswert?

Später mehr, mein Akku macht schlapp.

Von Holger (URL) am 21.05.2012.
So, zweiter Teil, an Christoph:

So richtig beantwortet Deine Erklärung meine Frage auch nicht. Okay, es ist nur eine Faustregel. Aber heißt das dann auch, dass REITs höher gewichtet werden sollten als Emerging Markets oder meinetwegen auch der MSCI World (keine Ahnung, ob REITs tatsächlich weniger riskant sind, aber theoretisch sollten sie es wohl sein)? Und werden die Emerging Markets nicht normalerweise deshalb niedriger gewertet als der MSCI World, weil das eben ihrem Anteil an der Welt-Marktkapitalisierung oder am Welt-BIP entspricht? Und wäre es nicht sinnvoll, EM oder Small Caps eben doch höher zu gewichten, wenn man ein bestimmtes Rendite-Risiko-Profil erzielen will?

Du siehst, so richtig zufrieden bin ich noch nicht mit der Regel. ;-)

Viele Grüße

Von Christoph (URL) am 22.05.2012.
Hallo Holger,
REITs würde ich schon alleine deswegen nicht höher gewichten, weil sie nicht disjunkt zum restlichen Aktienmarkt sind. Da kauft man sich doch so manches doppelt, denke ich. Und das sollte man, wenn überhaupt, mit Vorsicht tun.

Vermutlich decken sich die Gewichtungen nach Marktkapitalisierung und nach Risiko auch einfach, weil größere Märkte tendenziell eher gut entwickelt und damit etwas weniger anfällig sein dürften. Das ist jetzt aber zugegeben nur sehr vage.

Wenn man ein Rendite-Risiko-Profil erzielen möchte, das mit einem 100%igen Aktien- und Rohstoffdepot nicht erreichbar ist, dann mag es in der Tat sinnvoll sein, beispielsweise Emerging Markets überzugewichten. Aber im Ernst: wer will beziehungsweise braucht sowas? Die meisten dürften besser bedient sein, wenn sie Risiko aus Ihren Depots rausnehmen. Wer so einen waghalsigen Schritt braucht, sollte meiner Meinung nach einfach nochmal über seine Ziele nachdenken...

Zu guter letzt: der einleitende Satz soll einen Anstoß geben, warum man über Frontier Markets nachdenken sollte. Es war Absicht, daß dieser Satz mit "Eine" beginnt (und nicht: "Die"), und es war auch Absicht, den Satz im Konjunktiv zu formulieren. Von daher sind alle Einwände, auch wenn ich sie teilweise ausräumen wollte (keine Ahnung, obs gelungen ist), zumindest teilweise auch Bestandteil meiner eigenen Meinung. Der Satz sollte nie als absolutistische, immer geltende, alleinige Regel formuliert werden. Und das habe ich aus gutem Grund auch nicht getan.

Frage: möchtest Du der Forumulierung, daß _eine_ Regel so lauten _könnte_ zustimmen, oder findest Du das generell unsinnig, was ich da im ersten Satz geschrieben habe?

(... oder bist Du bei der viel zu langen Antwort vielleicht einfach eingeschlafen???)

Viele Grüße, Christoph

Von Holger (URL) am 25.05.2012.
Hallo Christoph,

auch wenn's schon wieder so lange gedauert hat, bin ich nicht eingeschlafen. ;-)

Überzeugt aber auch nicht. Ich will gar nicht bestreiten, dass die Daumenregel zu einem vernünftigen Portfolio führt.

Aber die Logik der Begründung nachzuvollziehen, bereitet mir Schwierigkeiten. Streng genommen finde ich es schon fehlerhaft, das Portfolio in risikolose und riskante Assets einzuteilen - Du hast die Begriffe ja auch wohlweislich in Anführungszeichen gesetzt.

Kurz und gut: Ich glaube, wir sind uns ziemlich einig, ich möchte nur lieber auf einem Weg zum gleichen Ergebnis kommen, den ich besser nachvollziehen kann.

Viele Grüße

Von Christoph (URL) am 29.05.2012.
Hallo Holger,
je mehr ich darüber nachdenke, umso sinnvoller finde ich es, die Gewichtung eines Assets unter anderem auch von dessen Risiko abhängig zu machen.
Wenn man nämlich eine besonders riskante Position im Depot hat, und diese auch eine hohe Gewichtung hat, dann überragt die Wertschwankung dieser einen Position alles andere einfach zu sehr.

Dumm nur, daß man das Risiko im Voraus eben nicht kennt. Deswegen ist die Regel vielleicht wirklich unsinnig, beziehungsweise nur zufällig halbwegs passend.

Provokante Gegenfrage: wenn nicht am Risiko, woran sonst willst Du zum Beispiel die Gewichtung von Rohstoffen im Portfolio festmachen? Sowas wie BIP-Gewichtung greift hier ja nicht. Da hilft doch nur das (naiv?) geschätzte Rendite-/Risiko-Profil, oder?

Viele Grüße, Christoph

Von Holger (URL) am 01.06.2012.
Provokante Gegenfrage: wenn nicht am Risiko, woran sonst willst Du zum Beispiel die Gewichtung von Rohstoffen im Portfolio festmachen? Sowas wie BIP-Gewichtung greift hier ja nicht. Da hilft doch nur das (naiv?) geschätzte Rendite-/Risiko-Profil, oder?
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Hallo Christoph,

doofe Antwort: Ich weiß es auch nicht. Eine Möglichkeit ist natürlich, irgendwelche vergangenheitsbezogenen Portfolio-Optimierungen vorzunehmen, eine Effizienzkurve zu finden, das gewünschte Risiko-Rendite-Profil herauszupicken - und dann zu hoffen, dass die Vergangenheit vielleicht doch Rückschlüsse auf die Zukunft zulässt. Das ist, glaube ich, tatsächlich ein sehr gängiges Verfahren, Zugang zu entsprechender Software mal vorausgesetzt (mit so was kann man amateurhaft ja inzwischen sogar auf Websites von ETF-Anbietern rumspielen). Na ja, ich bin skeptisch, dass das notwendig zu guten Ergebnissen führt.

Aber grundsätzlich sollte es doch ankommen auf:
- Renditeerwartung,
- Risiko,
- Diversifikationseigenschaften einer Anlageklasse.

Oder? Also sollte das Risiko in jedem Fall eine Rolle spielen, aber eben nicht allein ausschlaggebend sein. Das zeigt sich m. E. eben auch schon daran, dass man, um diese Regel zu begründen, eine ziemlich willkürliche Einteilung in riskante (Aktien) und risikolose (europäische Staatsanleihen...) Anlageklassen vornehmen muss.

Oder daran, dass Du REITs nicht höher gewichten willst als Aktien. Wenn wir annehmen, dass Aktien (marktbreite Indizes) und REITs tatsächlich verschiedene Anlageklassen sind, was ja von Autoren wie Malkiel oder Swedroe vertreten wird, und wenn wir außerdem annehmen, dass REITs weniger riskant sind als Aktien (ich meine, Malkiel tut das), dann sollten REITs der Faustregel zufolge höher gewichtet sein.

Und wenn man Angst hat, zu viel doppelt zu kaufen, dann sollte man ggf. eher die Aktien weglassen. ;-)

Das empfiehlt aber, glaube ich, niemand.

Wie gesagt: Die Faustregel liefert vermutlich in der Praxis tatsächlich gute Ergebnisse, aber man muss doch einige argumentative Verrenkungen machen, wenn man sie begründen will, finde ich.

Viele Grüße

Von Christoph (URL) am 05.06.2012.
Hallo Holger,
wenn ich unsere letzten beiden Kommentare so lese, glaube ich, daß wir uns einig sind.
Der ursprünglich bemängelte Satz war sicherlich nicht das Highlight des Artikels, aber auch nicht inhaltlich so verdreht, daß ich ihn korrigieren müsste. So zumindest mein Fazit :-)
Viele Grüße, Christoph

Von Christoph (URL) am 05.06.2012.
Hallo nochmal,
"finde ich es schon fehlerhaft, das Portfolio in risikolose und riskante Assets einzuteilen" - hm... das verstehe ich leider doch nicht.
Für mich ist das die erste, zentrale Stellschraube: welchen Teil meines Vermögens möchte ich in riskante Assets (mit hohem Renditepotential) stecken, und was soll "sicher" sein. Klar, "sicher" muss in Anführungszeichen stehen, weil es absolute Sicherheit nicht gibt. Aber es gibt sozusagen "geringst mögliche Unsicherheit", beispielsweise mit Bankguthaben unterhalb der gesetzlichen Einlagensicherungsgrenze.
Wenn Du dem nicht zustimmst: heißt das, daß Du Deine Aktienquote mit dem Alter nicht ändern möchtest? Das würde ich für nicht zielführend halten.
Ich zum Beispiel mache es so, daß ich meine Quote riskanter Assets jedes Jahr um drei Prozentpunkte reduziere (bis zu einem Alter X mit dann circa 20% riskanten Assets; für danach gibt es noch keinen Plan). Damit soll das Depot im Laufe der Jahre und Jahrzehnte dann immer "ruhiger" werden. Findest Du das etwa unsinnig?
Viele Grüße, Christoph

Von Holger (URL) am 05.06.2012.
Findest Du das etwa unsinnig?
--
Nein, da bin ich wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen. Ich wollte eigentlich nur verdeutlichen, dass ich Anlageklassen eher als Kontinuum betrachten würde - und nicht so streng bipolar, wie es die Zweiteilung in riskante und risikolose Assets nahelegt. Letztlich geht es ja um das Risiko des Gesamtdepots - und das kann ja eben auch sinken, indem man "risikolose" Assets rausnimmt und "riskante" hinzufügt. Und die Übergänge sind, wenn man sich zum Beispiel an Volatilität und Renditeerwartung orientiert, halt auch in der Praxis und nicht nur in der Theorie fließend - um das zu sehen, muss man ja nur einen Blick auf Anleihen eines Emittenten mit verschiedenen Laufzeiten werfen. Oder?

Viele Grüße
Holger

Von Christoph (URL) am 06.06.2012.
Hallo Holger,
es ist richtig, daß man durch Hinzunahme riskanter Assets das Gesamtrisiko senken kann.

Nur: das sollte man auf jeden Fall tun, bzw. ist es unsinnig, das nicht zu tun. Insofern halte ich es mit Kommers Ansatz, sich ein Weltportfolio zusammen zu basteln, welches nach allen verfügbaren Informationen das beste Chance-/Risikoprofil aufweist. Und dann stellt sich eben die Frage, welchen Anteil seines Vermögens man in dieses Weltportfolio investiert, und wie viel außen vor bleibt (Sicherheitsteil).

Dein Argument, daß das Hinzunehmen riskanter Assets das Gesamtrisiko senkt, setzt ja voraus, daß zuvor ein sehr unvorteilhaft strukturiertes Portfolio da war. Aber selbst dann würde ich zuerst die Frage nach dem notwendigen (oder gewünschten) Risikoanteil klären und danach das Depot ggf umstrukturieren.

Weniger abschweifend direkt gefragt: wie hältst Du es denn mit der Depotaufteilung. Bleibt die bei Dir konstant? Und wenn ja: wie lange willst Du das durchziehen? Gibt es da ein definiertes Ende?

Viele Grüße, Christoph

Von Holger (URL) am 07.06.2012.
Hallo Christoph,

das ist ein großes Problem. Ich wollte den Risikoanteil (ja, ich benutze die Krücke auch) eigentlich jährlich um einen Prozentpunkt senken, habe das aber erst mal gestoppt, nachdem ich das ziemlich interessante Buch "Lifecycle Investing" (eine Aussage daraus: die - offensichtlich US-amerikanische - Faustregel, dass der Aktienanteil 110 minus Lebensalter betragen sollte, ist zu konservativ) gelesen hatte. Aber Zeithorizont ist erst mal bis zur Rente. Aber was ist mit meiner Frau, die einige Jahre jünger ist als ich? 20 Prozent Aktien finde ich aber ziemlich niedrig. Aber mal schaun, wie sich dann die staatliche Rente so gestaltet...

Von Christoph (URL) am 08.06.2012.
Hallo Holger,
das hat jetzt Potenzial, meine Strategie etwas anzupassen. Ein sechzigjähriger mit 50 Prozent Aktienanteil soll zu konservativ aufgestellt sein??? Das haut mich um. Da kann es ja nur noch um (panischen?) Inflationsschutz gehen, oder?
Viele Grüße, Christoph

Von Holger (URL) am 13.06.2012.
Hallo Christoph,

nein, das Argument war nicht unbedingt, dass der 60-Jährige am Ende seines Berufslebens zu konservativ aufgestellt ist, sondern am Anfang - ich habe gerade mal einen Artikel dazu veröffentlicht.

Ehrlich gesagt: Ich habe immer noch keine Ahnung, wie hoch der Aktienanteil für mich sein sollte - weder für jetzt, noch für in 20 Jahren, noch für in 40 Jahren.

Von Christoph (URL) am 15.06.2012.
Hi,
na, dann sind wir ja wenigstens schonmal zwei. Ich will demnächst nochmal Zeit und Grips in das Thema investieren, weil ich die langfristigen Auswirkungen dieser Entscheidung doch für ziemlich relevant halte. Ich lade jeden ein mizumachen :-)
Viele Grüße, Christoph


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